Haben Sie schon mal von Meshwork gehört? Vermutlich nicht, ist das bei uns kein geläufiger Begriff. Künstlerisch interessierte Menschen kennen diesen Begriff vielleicht, bezeichnet es eine japanische Stoffflechtkunst, in der verschiedenste Stoffe zu einem neuen Gesamtkunstwerk verwebt werden.
Auch gibt es den Begriff in der Medizin und bezeichnet ein feines Netzwerk im Auge. Aber Meshwork im Kontext von Beratungsformaten?
Dr. Don Beck hat vor vielen Jahren diesen Begriff gewählt, um hiermit ein Modell integraler Praxis zu umschreiben, das das Potential in sich trägt, eine Systemkultur mit einem Fokus auf das WIR zu fördern. Umschrieben hat er das, was dort passiert mit diesen Worten: “meshwork is the integration, alignment and synergy of multiple elements, entities, interests and motives to weave them together to create healthy, dynamics and comprehensives solutions to complex problems within rapid changing, complex environments.”
Was kennzeichnet ein Meshwork?
Meshwork ist ein Arbeits- und Gestaltungsansatz, der im Kontext von Spiral Dynamics entwickelt wurde. Er berücksichtigt, dass wir Menschen durch unsere vielfältigen Wertesysteme und verschiedenen Entwicklungsstufensehrunterschiedliche Bedürfnisse haben.
Typisch in einem Meshworkformat ist ein Prozessverfahren mit klaren Abfolgeschritten. Diese bieten Struktur und Orientierung im Verlauf. Hierbei überschreitet er die Arbeitsansätze der klassischen Beratung durch die Förderung einer Vertrauensebene zwischen den Stakeholdern, die meist konkurrierende oder gegensätzliche Positionen vertreten. Sie ist die notwendige Grundvoraussetzung für ein gemeinsames Arbeiten. Meshwork orientiert sich an den fünf integralen Prinzipien der 5 Ps (Purpose, People, Planet, Principles, Profit) integrale Prinzipien, um nachhaltigen Veränderungen auf den Weg zu bringen. Und es legt Wert darauf, die verschiedenen memetischen Bedürfnisse durch Repräsentanten mit in den Gesamtprozess einzubinden. Insofern ist Meshwork ein zutiefst integraler Designansatz, Methode und Prozessverfahren. Von den Anwendern erfordert es eine Verankerung in einer integral holistischen Haltung, damit der Meshwork spezifische Raum gehalten werden kann.
„Alles, was nötig ist, ist schon da“
Diese Aussage ist eine der grundlegenden Annahmen, welche einen Meshworkprozess prägen, welche aber zugleich auch Hinweis sind auf eine integrale Verankerung. Schaut eine 1st. Tier Haltung eher auf das Defizit, so ist es für Meshworkprozesse essentiell davon auszugehen, dass die Gruppe der Stakeholder willig und fähig ist, gut und für alle annehmbare Lösungen zu entwickeln. Das entscheidende Kriterium hierbei ist die Kunst, die Verschiedenheit in Synergien zu verwandeln, statt in die Polarisierung hineinzuführen. Zudem ist es nötig, die Ausrichtung auf ein gemeinsames höheres Ziel[1]zu lenken. Dieses erscheint um so dringlicher in einem Meshworkprozess, wenn man sich vor Augen führt, dass die Beteiligten oftmals sehr widerstrebende Interessen verfolgen. Sie alle brauchen ein höheres Ziel, in dem sie sich mit ihrem Anliegen wiederfinden können. Sonst werden sie ihre Energie nicht zur Verfügung stellen, um an etwas Gemeinsamen zu arbeiten.
Erfahrungen mit Meshwork
Erstmals erprobt hat Dr. Don Beck das Verfahren im Kontext seiner Arbeit in Südafrika. Durch die gezielte Auswahl der memetisch so verschiedenen Stakeholder erreichte er die Repräsentanz der gesamten Bevölkerung an den Verhandlungen beim Übergang des Apartheid zum Nicht-Apartheits-System.
Seitdem ist Meshwork immer wieder von den CHEs angewandt worden, mal, um Konfliktparteien in Afghanistan in ein Gespräch zu bringen, mal um in Palästina und Israel einen wirklichen Friedensprozess zumindest auf den Weg zu bringen[2], mal um Menschen einer Region mit weit auseinander liegenden Interessen in einen konstruktiven Dialog zu bringen, mal um Fusionen von Kirchengemeinden konstruktiv zu gestalten.
Was sich zeigt – je konfliktgeladener die Ausgangssituation, desto mehr Energie muss im Vorfeld in vertrauensbildende Maßnahmen investiert werden. Denn sofern die memetische Ebene Purpur sehr gestört ist, können Meshworkprozesse nicht wirklich gelingen.
Meshwork – nicht nur im künstlerischen Sinne ein Kunstwerk
Vermutlich ahnen Sie es schon. Um ein Meshwork mit Menschen auf den Weg zu bringen, braucht es auch im sozialen Bereich viel handwerkliches Geschick für Moderation und Gesprächsführung, aber auch ein klares Design für einen solchen Prozess. Und zudem eine Gabe, über scheinbar große Widersprüche hinweg Menschen zu ermutigen, sich auf einen Weg der gemeinsamen Begegnung und des Lernens einzulassen. Das ist reizvoll – und herausfordernd gleichzeitig. Und es geht nicht immer ganz schnell. Doch weil es in den Beteiligten die Erfahrung stärkt, selber schöpferisch an tragfähigen Lösungen mitwirken zu können, ist es allemal lohnenswert, diesen Weg zu gehen. Und dies um so mehr, je komplexer die Ausgangssituation ist.
Sie möchten noch mehr zum Thema erfahren? Hören Sie hier ein Gespräch, das Claudine Villemot-Kienzle und Ingrid Schneider zum Thema geführt haben.
Autorin: Ingrid Schneider
[1]Zum Begriff siehe den Blog http://socialarchitect.de/kraftvolle-gemeinsame-intention/
[2]S. Elza Maalouf, Uncovering the Indigenous Intelligence. A Case Study of Israel and Palestine, in: Dr. Don Beck u.a., Spiral Dynamics in Action, S. 67ff