Was ist los in Staat und Gesellschaft, in Unternehmen oder auch den öffentlichen Institutionen? Immer öfter wird von grundlegenden Schwierigkeiten berichtet, von Problemen und Missständen in den verschiedensten Feldern des sozialen Lebens: der Wirtschaft, dem Finanzwesen, der Ökologie, in den großen Institutionen.

Immer mehr drängt sich die Frage auf: Warum scheint die Welt mehr und mehr aus den Fugen zu geraten? Wie kommt es, dass Lösungen immer weniger greifen? Wo läuft die Entwicklung hin? Sind Rückwärtsbewegungen oder Chaos unsere Zukunft?

Vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild

So schwer im Detail benennbar diese Entwicklungen vielfach sind, wer die Tagespresse regelmäßig verfolgt, findet Anzeichen für einen fundamentalen Wandel, in dem sich die Gesellschaft, alle Systeme und auch die Ökologie bewegen. Es ist nicht mehr nur eine kleine Veränderung in einem abgrenzbaren Bereich, mit dem wir es zu tun haben. Es ist ein Wandel, der unsere ganze Lebensgrundlage berührt, der alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst. Er macht weder vor der Wirtschaft halt noch vor öffentlichen Institutionen. Er berührt Fragen der Finanzwelt ebenso wie die der Ökologie. Er spült Spannungen lange nicht gekannten Ausmaßes an die Oberfläche, Spannungen zwischen verschiedensten Gesellschaftsformen ebenso wie Spannungen zwischen Kulturen und Werteclustern.

Fredmund Malik, anerkannter Managementberater und Lehrer in St. Gallen, spricht in diesem Zusammenhang von einem fundamentalen Umbruch unserer Welt, wie wir sie kennen. Was aussieht wie ein Zusammenbruch der Finanz- und Wirtschaftswelt, einer Schuldenkrise, bezeichnet er als Geburtswehen einer neuen Welt, einer Welt, die nicht linear sondern systemisch gedacht werden muss. Die Erschütterung, die davon ausgeht, vergleicht er mit der Veränderung, die der Wechsel vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild im 16. Jahrhundert mit sich brachte. Er nennt darum diese Zeit die große Transformation21.

Das Chaosfenster

Wenn wir das, was derzeit passiert, grafisch darstellen wollen, dann eignet sich eine Grafik unseres Kollege Peter Merry, der lange Jahre beim niederländischen CHE mitgewirkt hat, hervorragend. Es ist eine Darstellung, die wir aus dem Bereich der Lebenszyklen von Organisationen kennen. Doch im großen Stil ist sie auch anwendbar auf die derzeitigen Entwicklungen, welche wir beobachten können.

 

Der entscheidende Part passiert im Zwischenraum zwischen den zwei S-Kurven, dem sogenannten Chaosfenster. Die erste Kurve steht für das alte Paradigma des Denkens und Handelns (linear, maßgeblich beeinflusst durch die Ökonomie, entstanden in Zeiten von überschaubaren Zeiträumen und Regionen). Hier machten individuelle Erfindungen, technologische Errungenschaften und ein Standortvorteil einen entscheidenden Unterschied. Darunter legt sich die zweite Kurve, welche seit den 2000er Jahren immer mehr in Erscheinung tritt. Sie steht für das Paradigma eines notwendig vernetzten Denkens und Handelns, in welchem Wissen, Information, Erkenntnis, Komplexität und die Dynamik hoch vernetzter Systeme entscheidende Treiber für Erfolg oder Misserfolg sind. Das, was hierbei Veränderung antreibt, kann mit dem linearen Handlungsparadigma weder erfasst noch gesteuert werden. Auch unterscheidet sich diese neue Bewegung durch eine sehr andere Art der Interaktion: statt individualistisch, zentralisiert, mit Projektplänen zu sein führt dieses Paradigma uns zu einer hoch vernetzen, dezentralen, auf Zusammenarbeit und Interaktion angelegten Handlungsnotwendigkeit.

Was nötig ist, wollen wir im neuen Paradigma gestalten

Otto Scharmer hat in seinem Buch „Theorie U. Aus der Zukunft her führen“, sehr passend formuliert, dass ein erster Schritt, um einen Zugang zu dieser neuen und so anderen Welt zu bekommen darin liegt, den Ort unserer Wahrnehmung zu verändern. Wir brauchen ein radikal anderes Denken, eines, das systemisch ausgerichtet ist, das mehr Elemente in den Blick nehmen kann, das über Landkarten zur Orientierung verfügt und bereit ist, sich von den Lösungen der Vergangenheit zu lösen. Vielmehr ist es gerade Kennzeichen dieses fundamentalen Umbruchs, dass Lösungen nur dort entstehen, wo Menschen mit großer Achtsamkeit und dem Blick auf Wechselwirkungen sich auf emergierende, also erst sich zeigende und sich entwickelnde neue Formen einstellen. Dieses ist ein Musterbruch mit den bisherigen Verhaltensweisen und führt in ein neues Paradigma der Interaktion. 

Wie wir das lernen können?

Wir kommen nicht umhin, uns in diesen Zeiten ausführlich mit systemischen Modellen zu befassen und auch die integralen Denkansätze als Erweiterung unseres Horizontes mit in die Überlegungen einzubeziehen. In ihnen allen begegnen wir nicht nur neuen Landkarten, welche uns in der Orientierung helfen in dem Gelände, in dem wir uns bewegen. Sie bringen uns selber auch immer wieder an unsere eignen Grenzen des Denkens und damit des Handelns. Diese Grenzen, dieses Herausfallen aus der Vertrautheit, sind nötig. Denn solche Grenzerfahrungen fördern Wachstum. Um fit zu werden für ein Gestalten und auch Führen in Zeiten solch fundamentaler Umbrüche ist es nötig, über unsere Komfortzone hinaus zu wachsen und uns mit komplexen Denkansätzen und Handlungsmöglichkeiten vertraut zu machen.

Erfreulicherweise gibt es heutzutage viele Möglichkeiten, sich diesen Themen zu nähern. Hierbei können wir auf vielfältige Modelle und Arbeitsansätze zurückgreifen, welche seit Ende der 90er Jahre entstanden sind. Was sie leisten: uns im Umgang mit Komplexität schulen, die Vertrautheit mit Sowohl-als auch Lösungen fördern, unsere Achtsamkeit erhöhen für Bewegungen und Faktoren, welche im Feld auftauchen, mit dem Flow arbeiten. Hierbei spielt der Faktor der Komplexität eine besondere Rolle, denn er ist der Rohstoff der Zukunft. Wer diese zu nutzen weiß, sich darin zu bewegen weiß, sie zu lesen weiß, der kann Wesentliches dazu beitragen, Organisationen zukunfts-, handlungsfähiger und flexibler zu machen, und zudem Räume zu schaffen, in denen Kreativität und Inspiration wachsen können.

Im CHE haben wir uns seit Jahren genau dem Training in diesen Bereichen verschrieben. Egal ob Sie einsteigen in SDi, in den Bereich der Social Architects, dem Thema Schlüsselkompetenzen – es sind unsere Beiträge, Menschen zu befähigen, mit Leichtigkeit und Freude der Komplexität zu begegnen.

Welche Kompetenzen erforderlich sind, um uns in der Komplexität entspannt zurecht zu finden, können Sie in diesem Blogartikel lesen.

Autorin: Ingrid Schneider

Vorheriger Beitrag
Meshwork – was ist denn das?
Nächster Beitrag
Emergenz und Design: Gestaltungsalternativen zu Eingreifen und Kontrolle
keyboard_arrow_up

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen